Donnerstag, 23. Februar 2017

Mein Georgien Abenteuer



Am Morgen des 4. Februar wachte ich mit einem seltsamen Gefühl auf. Heute würde ich für 15 Tage nach Georgien fliegen. Zwei Wochen keine Arbeit. Keine Kinder. Keine Kirgisen. Kein Bischkek.
Anlass der Reise war das Zwischenseminar, bei dem sich alle Freiwilligen in Zentral und Vorderasien für eine fünftägige Seminareinheit trafen. Die Gelegenheit kam also geradezu ideal um sich eine Woche vorher dieses Land, von  dem man nicht ganz weiß ob man es eher zu Europa oder doch zu Asien zuordnen soll, genauer anzusehen.

 Tot müde kamen Diana und ich am 5. Februar nachts in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens an. Am Flughafen wurden wir ganz ähnlich wie bereits aus Bischkek gewöhnt, von 15 Taxifahrern angesprungen.
Bereits während der nächtlichen Fährt zu einem Hostel merkte ich, dass sich diese  Stadt stark von Bischkek unterscheidet. Dieser Eindruck würde jedoch erst richtig stark, als ich am nächsten Tag durch die Altstadt lief. Eine ALTSTADT! Wie lange ich so etwas nicht mehr gesehen habe! Obwohl Georgien genauso wie Kirgistan ein ehemaliges Sowjet Land ist, fühlte ich mich plötzlich als sei ich mitten in Europa. Wäre ich jedoch nicht aus Bischkek sondern aus Bensheim gekommen hätte diese Wahrnehmung wohl ganz anders ausgesehen. Georgien ist geprägt durch die unzähligen orthodoxen Kirchen und eine sehr christlich gläubige Bevölkerung. Sitzt man in einem Bus und fährt an einer Kirche vorbei kreuzen sich alle Insassen die Brust.
Zwei Tage verbrachte ich damit die Hauptstadt erkunden und musste dabei aufpassen nicht in eine Frustration zu verfallen. Die Stadt, dass Essen, die Bars, die Plätze..all das schien für mich so viel schöner, vielseitiger, alternativer als das Bischkek mit seinen ausschließlich großen Straßen und Blogs ohne Fußgängerstrassen und Gässchen. Auch scheint Tiflis eine sehr alternative Szene zu haben. Sogar ein veganes sowie vegetarisches Cafe konnte ich finden. 






Nach zwei Tagen Tiflis entschieden Diana und ich uns zusammen durch den Süden und Westen des Landes zu trampen. Damit begann ein kleines sehr schönes Abenteuer, das mir meinen Gesundheit beinahe versaute:
Da es schwieriger ist aus großen Städten heraus zu trampen fuhren wir zunächst mit einer Maschrutka in ein nahegelegenes Dorf. Nach einer obligatorischen Kirchenbesichtigung dort, stellten wir uns an die nächst größere Straße, um uns Richtung Südwesten, Zielstadt „Borjomi“ mitnehmen zu lassen. Anfangs war es für mich eine Überwindung den Daumen raus zustecken. Allerdings hielt bereits das dritte Auto an um uns zumindest bis zur „Autobahn“ (natürlich keine Autobahn in dem Sinne aber eine große Straße die sich einmal durch ganz Georgien erstreckt) mitzunehmen. Am Rand der Schnellstraße  standen wir keine 2 Minuten da wurden wir auch schon von einem älteren sehr netten Georgier mitgenommen. Mit ihm fuhren wir eine ganze Weile, unterhielten uns auf Russisch oder hörten Musik, bekamen Äpfel geschenkt und hatten eine gute Stunde eine sehr entspannte Fahrt.  Die Kommunikation mit der älteren Generation funktioniert noch gut auf Russisch. Die jüngere Generation kann in einigen Fällen Englisch oder tatsächlich oft auch nur georgisch. Auch auf unsere nächste Mitfahrgelegenheit die uns direkt bis nach „Borjormi“, einem grünen ehemaligen Kurort, brachte, mussten wir nicht lange warten. Die jungen Leute im Auto ließen es sich nicht entgehen uns die ganze Stadt zu zeigen und anschließend noch ein ganzes Abendessen zu bezahlen. 

Am nächsten Tag konnten wir es nicht abwarten endlich mal wieder Bäume zu sehen. In Kirgistan sind Bäume ja leider etwas rar und so freute ich mich riesig in dem riesigen national Park einige Stunden zu laufen. Den tiefschnee hatte ich jedoch mal wieder unterschätzt und so war ich bald ziemlich nass und durchgefroren was angesichts meiner anbahnenden Grippe suboptimal war (dazu später mehr).

Endlich mal wieder Bäume!
 Noch am selben Tag schafften wir es bis nach Akhalzihe zu trampen wo wir für zwei Nächte kostenlos bei einer couchsurferin übernachten konnten. Couchsurfing ist ein Online Portal indem sich Reisende gegenseitig anbieten kostenfrei bei einander zu übernachten. So konnten wir zum Beispiel zwei Nächte kostenfrei bei Nanuka (25) und ihrer hübschen Tochter (5) übernachten und bekamen nebenbei noch leckeres georgisches Essen gekocht und bekamen von den beiden eine Einlage in georgischem Gesang und Tanz vorgeführt. Das ist definitiv besser als jedes fünf Sterne Hotel!
Könnte auch an der Bergstraße sein...


In der Nähe der Stadt befindet sich die alte Höhlenstadt Wardzia (georgisch ვარძია). Es handelt sich um ein ehemaliges Höhlenkloster, das im 12. Jahrhundert gebaut wurde. Es war ziemlich beeindruckend die 3.000 Höhlenwohnungen vor sich zu haben, vorallem wenn man bedenkt, dass weitere Höhlenklöster in Georgien noch immer von Mönchen bewohnt sind. Die 3.000 Höhlenwohnungen boten ehemals Platz für 50.000 Menschen. Das bedeutet Bensheim könnte „ohne Probleme“ einziehen..
Da das Kloster eher sehr abgelen ist, und wir auf dem Hinweg einfach großes Glück beim trampen hatten, kamen wir in die unangenehme Situation nicht zu wissen wie wir wieder weg kommen. Da Februar definitiv nicht Georgiens Touristen Saison ist, waren wir die einzigen Besucher. Lediglich zwei Mitarbeiter konnten wir finden, die zunächst fest darauf bestanden bei ihnen im Gasthaus zu nächtigen. Nach dem wir lange diskutiert und klar gemacht hatten, dass wir nach Akhalzihe wollen und dort eine Übernachtungsmöglichkeit haben (Nanuka- die sich später als Nichte des Mitarbeiters entpuppte:D ), war der Mitarbeiter so nett uns in die nächste Stadt zu fahren, da dort eine Maschrutka fuhr


Und vor uns erstreckt sich immer wieder der kleine Kaukasus


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Der nächste Tag begann für mich mit zwei schlechten Nachichten. 1. Es schneit. 2. Meine Erkältuing, die ich die ganze Reise über unterdrückt hatte, war zu einer schmerzhaften und sichtbaren Mandelentzündung geworden. Die Reise wollte ich mir jedoch nicht versauen lassen. Also deckte ich mich in der Apotheke mit Medikamenten ein (Antibiotika gibt es wie in Kirgistan rezeptfrei) und lief mit Diana durch den Schnee zur großen Straße um weiter zu trampen. Das Sprechen musste allerdings sie übernehmen..
Nach einigen netten Mitfahrgelegenheiten kamen wir an die Kreuzung die nach Kutaisi und Batumi am schwarzen Meer führte. Noch bevor wir den Daumen raushielten hielt ein Lkw an um uns mitzunehmen. Auch wenn es mir gesundheitlich in dieser Zeit ziemlich schlecht ging, war dies definitiv die angenehmste Fahrt. Zum einen war es natürlich super cool mal in einem so hohem „Auto“ zu sitzen. Zum anderen war der Lkw Fahrer ein sehr angenehmer Mensch, der mit sicherheit der sicherste Fahrer von allen war. Auch er lud uns zu einem leckeren Mittagessen ein.
So tuckerten wir 4 Stunden nach Kutaisi. Dort fanden wir schnell ein Hostel, indem wir auf weitere Deutsche trafen. Meine Gesundheit zwang mich dann doch langsam zu machen und die nächsten zwei Nächte in Kutaisi zu bleiben, auch wenn das bedeutete, dass wir das schwarze Meer nicht mehr erreichen würden. Auch von Kutaisi bekam ich nicht viel mehr mit als den Markt und einen Friedhof, der ganz anders aufgebaut war als die mir bekannten Friedhöfe. Jedes Grab, meistens Familiengrab, war wie ein kleines Gärtchen eingezäunt. Es befand sich jeweils ein Tischchen und eine kleine Bank innerhalb des eingezäunten Grabbereichs und das Gesicht der verstorbenen war in den Grabstein eingraviert. Dabei stoß man auf so manche witzigen Darstellungen. 

Sonntag war es dann auch schon Zeit zurück nach Tiflis zu fahren, da Montag morgen, dass Zwischenseminar in Saguramo, nahe Tiflis, statt finden würde. Ich entschied für mich, dass ich in meinem immernoch schlechten Gesundheitszustand lieber nicht trampen wollte. So fuhr ich zum ersten Mal seit 6 Monaten Zug. Es war definitiv die entspannteste Zugfahrt die ich je hatte. Und natürlich so billig, dass der deutschen Bahn die Augen aus dem Kopf fallen würden…
Das Zwischenseminar fand in Saguramo nahe Tiflis statt. Dort lebt ein Georgisch-deutsches Ehepaar mit einigen Pflegekindern und zwei Freiwilligen aus Deutschland. Außerdem befindet sich eine Art Schule auf dem Gelände, die alternativen Unterricht wie Musik, Kunst etc anbietet. Ab dem nächsten Jahr soll außerdem eine Handwerksberufliche Ausbildung in der Einrichtung möglich sein.
Auf dem Zwischenseminar traf ich dann auf 28 deutsche Freiwillige, die in Armenien, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, der Ukraine oder Tschadschikistan ihren Freiwilligen Dienst leisten. 

Es war eine besondere Zeit für mich, in der ich mich zum ersten Mal umfassend mit den vergangenen 6 Monaten beschäftigen konnte. Außerdem konnte ich viel Kraft aus dem Austausch mit den anderen Freiwilligen schöpfen. Gleichzeitig war es natürlich umso schwerer nach den gemeinschaftlichen Tagen wieder auseinander zu gehen und zu wissen, wie schnell wir wieder im Alltag landen würden. 
So flog ich mit gemischten Gefühlen zurück nach Bischkek und wusste, dass mir das Essen, die grüne Landschaft und die „alternativere“ Szene Georgiens fehlen würde. Als ich jedoch die ersten Kirgisischen Gesichter sah. Durch die mir mitlerweile so vertrauten Straßen fuhr, konnte ich wahrnehmen wie ich mich hier bereits „Zuhause“ fühle.


Neues aus Ümüt-Nadjeschda:
Einige Berichte zuvor, schrieb ich über meine zusätzliche Arbeit in der Wohngruppe von Ümüt-Nadjeschda. Der Ort, an dem einige Schüler*innen gemeinsam wohnen. Ich berichtete von der deprimierenden Situation dort, und dem Mangel an Spiel-, Mal- und Lernsachen. Daraufhin bekam ich eine Nachricht von der Kletterhalle Bensheim, die meinen Kids gerne ein paar Spielsachen zukommen lassen würde. Statt dem alljährlichen Weihnachtsgeschenk an die Mitarbeitenden, wurde in diesem Jahr Spielzeug, Lernmaterial etc.  für die Bewohner der Wohngruppe gesammelt. So erhielt ich zwei riesen große Pakete aus Deutschland, die ich am Dienstag, den 21.02. in die Wohngruppe brachte. Ich untertreibe NICHT, wenn ich sage, dass ich die Wohngruppe noch nie so lebendig erlebt habe! Der auf mich sonst sehr grau und deprimierend wirkende Ort war an diesem Tag von so viel Begeisterung Freude und Aufregung gefüllt wie ich es noch nie dort wahrnehmen konnte. Die Kinder machten große Augen, und auch die Betreuerinnen dort, die ich sonst eher als gestresst und übermüdet wahrnehme, waren vollkommen hin und weg. Ich möchte mich hiermit nochmal ausdrücklich und herzlich bei dem High-Moves Team der Kletterhalle Bensheim und vorallem bei der Geschäftsführung Eric und Michael bedanken! Ich wünschte ihr hättet die großen Augen der Betreuten live gesehen.  Am Ende riefen alle laut: „Spasiba-tschong-rachmat-Dankeschön!“ Danke auf russisch, kirgisisch und deutsch.









Das wars jetzt auch erstmal, ich danke fürs lesen, ich danke den High-Movies

ნახვამდის!
Nachvamdis!
(Tschüss auf georgisch)
Eure Lissa