Ein sehr früher Winter, eine wärmende Gastfreundschaft und „shoppen
auf Kirgisisch“
„Der Herbst der Herbst der Herbst ist da!“, sang ich noch
vor einer Woche mit meiner Klasse auf einem Schulfest. Und auch im Morgenkreis
singen wir ständig von den goldenen Herbstfarben und wie bunt die Blätter sind.
In der Realität gibt es diesen Herbst nicht. Beziehungsweise er war nach zwei
Wochen wieder vorbei. Jetzt schneit es oft und die Temperaturen schwanken immer
wieder um die null Grad plus, minus. Ich war durchaus auf einen sehr kalten Winter
eingestellt, aber dass ich bereits Mitte Oktoberr in meinen dicksten Jacken
friere, hat mich dann doch sehr überrascht. Deshalb war ich heute Wintersachen
kaufen- auf kirgisische Art: Auf einem der größten asiatischen Kleiderbasare,
dem Dojdoj Basar. Man hat beinahe das Gefühl man befinde sich in einer eigenen
Stadt. Riesige Hallen voll mit Containern bieten sowohl für den privaten
Einkauf, als auch für Sammelkäufe von Großhändlern, größtenteils aus Kasachstan
angereist, eine breite Auswahl. Bei ungefähr null Grad habe ich zwar
einerseits nicht wirklich Lust die Dinge anzuprobieren, die ich kaufe, fühle
mich aber durch die Kälte gleich doppelt bestärkt in dem Gefühlt dicke Pullis,
Handschuhe und Mützenunbedingt zu brauchen -Keine schlechte Geschäftsidee.
Immer wieder muss man Männern ausweichen, die Schubkarren voll mit Ware durch
die eh schon sehr engen Gänge ziehen, ausweichen. Hört man nicht rechtzeitig
den kirgisischen Ruf für „Aus dem Weg!“, fährt der Karren eben über meine Füße
und ich lande in einem nebenstehenden Kleiderständer.
Trotz der derzeitigen Kälte und einigen Krankheitsfällen,
die mich letzte Woche überfielen, geht es mir hier richtig gut. Besonders die
Gastfreundschaft, die ich immer wieder erfahren darf, macht die Kälte des Winters
wieder vollkommen wett. Letztes
Wochenende war dieses Erlebnis ganz besonders intensiv. Drei Mitfreiwillige und
ich waren bei der Köchin des
Janosz-Korzack Zentrums (die Werkstatt der Schulabsolventen) zum Essen eingeladen.
Nach dem uns der elf jährige Sohn zum
Haus geführt hat wurden wir mit Küsschen und einer herzlichen Umarmung von der
Gastgeberin begrüßt. Die Tochter, die etwa in unserem Alter ist und derzeit studiert,
bediente uns durchweg mit Tee. Kaum hatte man eine Tasse leer getrunken, so
wurde nachgeschenkt. Während das „Blof“ (die
Paella Kirgistans) von der Tochter fertig auf dem Gasherd fertig zubereitet wurde, bekamen wir von Mutter,
Vater und Sohn stolz die Tiere gezeigt.
Wir staunten nicht schlecht über den Stall im Garten, der 4 Schafe,
mindestens 15 Hasen und einen Hund, der sich für ein Schaf hält, beinhaltet. Nach und während dem Essen haben wir uns so
gut es eben ging auf Russisch unterhalten. Immer wieder wurde betont, dass wir
wieder kommen müssen und, dass wir jetzt ein Stück weit zur Familie gehören. Beim
Abschied wurde jedem von uns eine Tüte Essen in die Hand gedrückt , wir wurden
auf die Stirn geküsst und umarmt, bis uns ein älterer Sohn mit dem Auto nach
Hause fuhr.
In meinem Empfinden kann ich keinen besseren Einblick in die
Kultur Kirgisiens bekommen als über Begegnungen wie diese. Denn während ich auf
der einen Seite beobachte, wie die Frauen immer wieder in die Hausfrauen und
Bedienerinnen Ecke erzogen werden, wie Frauen, die Ende zwanzig immer noch nicht
verheiratet sind von der Familie unter Druck gesetzt werden, oder einfach von
vornerein durch die Eltern verheiratet werden, so sehe ich doch auch, dass die Familien hier
eine ganz andere Bedeutung haben, als ich es von den deutschen Verhältnissen
gewohnt bin. Dass Familie hier eine Art Altersvorsorge ist, sowie ein fester
Verbund der an aller erster Stelle steht. Natürlich bin ich erst zwei Monate
hier und kann mir noch lange kein Urteil über die hiesigen Strukturen oder die
Kultur bilden, sondern nur meine persönlichen Wahrnehmungen und Eindrücke
schildern. Und letztendlich bleibt für mich die Frage noch offen, ob es
überhaupt das Ziel sein soll, ein finales Urteil zu fällen. Im Moment gefällt
es mir einfach sehr gut, die Menschen, die Sprachen, die Landschaft, die
Traditionen, die Feste, die Abläufe und Strukturen usw. ,zu beobachten und zu versuchen
mich dabei ein Stück weit einzugliedern ohne meine Wertevorstellungen oder mich
selbst dabei zu unterdrücken.
Ich möchte also abschließend nochmal betonen, dass ich froh
bin genau an diesem Ort gelandet zu sein, die Menschen zu treffen, die ich hier
treffe und mit jedem Tag mehr sprechen und verstehen zu können.
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