Ich sitze in diesem Moment auf der Fensterbank in meiner
neuen Wohnung, blicke aus dem Fenster auf einen kleinen Garten, trinke einen
anrühr Kaffee, an den ich mich langsam
gewöhnt habe, und fühle der Anstrengung des Tages und der letzten Woche nach.
Es ist ein gutes Gefühl von Anstrengung. Es ist das Gefühl, einer Arbeit
nachgegangen zu sein, die mich erfüllt. Und da ist noch eine Gefühlsregung die
mich überkommt, wenn ich aus dem Fenster schaue: Ich bin angekommen. Vielleicht
noch nicht zu Hundertprozent, aber jetzt habe ich das Gefühl zur richtigen Zeit
am richtigen Ort zu sein, ein Jahr lang hier ein richtig schönes Leben führen zu
können und hier zuhause zu sein. Aber
der Reihe nach..
Vorletzter Montag war mein erster Arbeitstag. Ich arbeite in
der Werkoberstufe, mit Jugendlichen, die nicht viel jünger oder älter als ich
sind. Dort habe ich drei Kinder zugeteilt, auf die ich besonders achten muss
und denen ich bei Tätigkeiten wie essen/füttern helfen soll. Außerdem soll ich
mehrmals die Woche Deutschunterricht geben. Das jedoch ist aus zwei Gründen
sehr schwer: Zum einen ist es mir noch ein Rätsel wie ich mit den Kindern
kommunizieren soll ohne russisch sprechen zu können. Viel schwerer jedoch ist
für mich die Tatsache, dass die Klasse derartig bunt gemischt ist, bezüglich
des Schweregrades der Behinderung. Da wäre zum Beispiel ein 19 jähriges
Mädchen, der schlicht und einfach nur die Beine fehlen und ansonsten genauso
eine junge Erwachsene ist wie ich es bin. Im Kontrast dazu gibt es auch einige, die gefüttert werden müssen, nicht malen
geschweige denn schreiben oder lesen können.
Gar nicht so leicht für alle eine angemessene Art zum Lernen und Beschäftigen
zu finden.
Die Arbeitswoche wurde Donnerstag jedoch unterbrochen, weil
in der Schule ein mehrtägiges Seminar für die Lehrer*innen stattfand. Dafür
mussten wir drei Tage ins Janosz-Korcak Zentrum, eine Werkstatt für Erwachsene
mit Behinderung. Dort durften wir eine richtige Praktikanten Aufgabe erfüllen:
Ausmisten, Aufräumen, Putzen. Aber dennoch war es sehr schön einen Einblick in
die Vielseitigkeit unserer Einrichtung zu bekommen.
Am Sonntag bin ich dann tatsächlich umgezogen. Die
Unterkunft im Kindergarten am Stadtrand war durchaus nicht schlecht. Dennoch
konnte ich mich dort nie richtig zuhause fühlen. Zum einen ist der Weg zur
Arbeit und zum Stadtzentrum sehr sehr lang. Man hat kaum die Möglichkeit abends
in die Stadt zugehen, was es erschwert Leute kennen zu lernen. Außerdem müssen
wir uns dort an einige Regeln halten, und können Küche und Bad nur nutzen, wenn
die Kinder weg sind (bis acht Uhr morgens und ab halb sieben abends und am
Wochenende). Zum Anderen steht der Winter in einem Monat an, und dort gibt es
wenn nur eiskaltes Wasser und auch das Plumpsklo ist nicht sonderlich
wintertauglich. Zwei von uns vier wohnen nun weiterhin da, während ich und eine
Mitfreiwillige uns ein Zimmer in einer sehr schönen WG mitten in der Stadt
teilen. Unser Mitbewohner ist ein Student aus der Türkei, der immer gute Laune
in der Wohnung verbreitet. Ab Oktober wird noch ein Franzose einziehen.
Montag arbeiteten wir ein letztes Mal im Korcak Zentrum und
Dienstag fuhren wir zu einer dazugehörigen Camp Hill Einrichtung, wo zwei
weitere Freiwillige aus Deutschland arbeiten. Nach eineinhalb Stunden Fahrt auf
sehr ruckeligen „Straßen“ kamen wir im Manas Sozialdorf an. Mit anderen Worten
mitten im nichts steht ein Kuh- und Schafstall, sowie drei Häsuer, der Wohnraum
für ca 16 Erwachsene mit Behinderung und zwei Freiwilligen Mädchen aus
Deutschland. Ein Camphill ist eine Wohngemeinschaft, in der die Menschen mit
Behinderung mit denjenigen ohne
Behinderungen zusammen leben und arbeiten. In diesem Fall jedoch wohnen nur die
Freiwilligen dort, während die anderen Mitarbeiter morgens kommen und abends
gehen. Der Arbeitstag der Freiwilligen
dort beginnt morgens mit dem Anziehen der Betreuten und endet nach dem
Abendessen um acht. Dagegen kommen mir meine sieben Stunden Arbeit am Tag sehr
wenig vor. Auch meine Lebensverhältnisse kommen mir nun sehr luxoriös vor. Dort
gibt es gar kein fließendes Wasser und das Duschen ist dementsprechend sehr
kompliziert. Auch wenn die Landluft
deutlich besser ist bin ich sehr zufrieden mit meinem derzeitigen
Bischkek-Stadtleben, zumal das Großstadtleben noch etwas sehr aufregendes und neues
für mich ist und ich außerdem am Wochenende zum Wandern aufs Land fahren kann.
Mittwoch und Donnerstag (heute) war ich dann endlich wieder
in meiner Klasse. Ich habe viel mit den
Jugendlichen gesungen und so werden wir morgen bei einer Art Schulfest „Bruder
Jakob“ auf Deutsch, Englisch und Französisch vorsingen. Es ist jedes Mal ein
wunderschönes Gefühl mit den Kindern zu singen, in ihre begeisterten Gesichter
zu schauen und sie zum Lachen zu bringen. Selbst nach den paar Tagen habe ich
alle so sehr in mein Herz geschlossen!
Der einzige Stoßdämpfer ist nach wie vor die Sprache. Obwohl
ich jetzt dreimal wöchentlich in die Sprachschule gehe wo ich Einzelunterricht
in Russisch bekomme, habe ich noch keine Chance zu verstehen was die Kinder
oder die Lehrer mir erzählen und kann mich ebenso wenig mitteilen oder Fragen
stellen, was für mich sehr schwer ist, da ich, wie einige wissen, immer viele
Fragen habe ;-) Hinzu kommt natürlich, dass in diesem Land zwei Sprachen
anerkannt sind. So muss man sich auf dem Bazar zum Beispiel auf Kirgisisch
durch fragen, während in der Schule hauptsächlich russisch gesprochen wird.
Zwei komplett unterschiedliche Sprachen- wo soll man da nur anfangen?
Ich hoffe es geht euch allen soweit gut, bei Fragen schreibt
mir einfach eine Mail,
Ganz liebe Grüße aus meiner Wohnung in Bischkek,
Eure Lissa
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